Laufender Hund

Bei der Umnutzung eines vor 300 Jahren in Dietfurt erbauten Jurahauses von einer Metzgerei in ein Kulturhaus kopierten die Handwerker die wiederentdeckte historische Fassade auf die neue Gebäude- hülle, dämmten von innen mit Leichtlehm und retteten so manches historische Bauteil.

Von Thomas Wieckhorst

Dietfurt an der Altmühl ist mit seinen gerade mal 6000 Einwohnern eine kleine Stadt. Wie bei vielen histori­schen Orten liegt die Erteilung des Stadtrechts lange zurück. Umso mehr Wert legt man in Dietfurt darauf, eine Stadt zu sein. Da passte es gut, dass zum Jubiläum „600 Jahre Stadterhebung Dietfurt“ im Mai ver­gangenen Jahres dort in einer ehemaligen Metzgerei ein Kulturhaus eröffnet werden konnte, in dem sich heute neben Mehrzweckräumen auch die Volkshoch­ schule und die Stadtbücherei befinden. Doch wie kam es eigentlich dazu?

Laufender Hund unter bröckelndem Putz

2010 suchte der Architekt Michael Kühnlein Junior nach einem passenden Projekt für sein Masterstudi­ um. Sein Vater – ebenfalls Architekt mit gleichem Namen – legte ihm das 1715 als Metzgerei erbaute Gebäude in der Klostergasse 5 in Dietfurt ans Herz. Beide ahnten damals noch nicht, was sich unter den Schichten aus hartem Zementputz verbarg. Michael Kühnlein fertigte für seine Masterarbeit ein verfor­mungsgerechtes Aufmaß an und beauftragte die Bau­forschung und Bestandsanalyse. Schon damals fand er unter bröckelndem Putz Fragmente einer farbigen Fassadengliederung. „Doch damals hat noch niemand gewusst, dass die Gestaltung als laufender Hund zwei­ mal auf drei Seiten um das Gebäude geht“, erinnert sich Kühnlein.

Rückbau und Sicherung

Die Ergebnisse der Masterarbeit bildeten die Grund­lage für die Sanierungsplanung, mit der die Stadt den Architekten beauftragte. Im Mai 2014 begannen die Bauarbeiten. „Eine der ersten Arbeiten war der Rückbau im Erdgeschoss. Alles was neueren Datums und schadhaft war, musste raus, damit man die ursprünglich großzügige Raumaufteilung wiedererleben kann“, sagt Michael Kühnlein. Und es musste ziemlich viel raus, denn Kühnlein spricht dabei von einer Entker­nung. Etwas dazwischen muss es gewesen sein, da man seinen Worten auch die Liebe zur alten Bausubstanz anmerkt. So wurden zum Beispiel die histori­schen Lehmwickeldecken im Obergeschoss während der Entkernung gesichert und blieben neben vielen weiteren historischen Bauteilen erhalten.

Jurahaus mit geretteter Harnickelschalung

Etwas, das Michael Kühnlein unbedingt erhalten woll­te, war die historische Harnickelschalung. „Das Gebäude ist ein Jurahaus“, sagt Kühnlein. Dabei handelt es sich um eine im Altmühltal vorkommende Haus­ form mit einer Steinplattendeckung auf einer Harni­ckelschalung. Die­se Schalungsart stellten Handwerker früher aus ge­spaltenen Baumstämmen her, die sie mit den Spaltflächen auf den Sparren befestigten. „Die Halbstämme mussten komplett herunter­ genommen werden, waren von der Substanz her aber noch in Ordnung. Die sollten auf gar keinen Fall ver­-loren gehen. Daher haben wir sie eingelagert und später wieder auf die Sparren geschraubt“, erinnert sich der Architekt. Darüber befindet sich eine Brettscha­lung mit Abdichtung als regensicheres Unterdach und eine Eindeckung mit hellgrauen Gradschnittbibern.

Statische Ertüchtigung

Das Steindach lastete mit 250 bis 300 kg/m2 auf dem Jurahaus. Durch dieses Gewicht war das Gebäude auf der wetterbelasteten Westseite um bis zu 30 cm abge­sackt. Zwar hatte man den Westgiebel schon im 19. Jahrhundert mit Fachwerk erneuert, allerdings in einer minderwertigen Ausführung. Schwere bis mitt­lere Feuchteschäden zwangen zusammen mit dem Dachgewicht das Jurahaus auf dieser Seite im wahrsten Sinne des Wortes in die Knie und drückten die Kniestöcke nach außen. Infolgedessen musste das Fachwerk erneuert und mit Hochlochziegeln ausge­mauert werden. Schritt für Schritt schnitten die Zim­merleute auch die Stützen gesund, schuhten Balken und Sparren an und tauschten manche Strebe kom­plett gegen eine Neue aus.

Innendämmung mit Leichtlehmschale

Das im Gebäude erhalten gebliebene historische Holz­tragwerk ist auf der Nord­ und Südseite von nur 12 cm dicken Außenwänden umgeben. Da auch auf diesen extrem dünnen Traufwänden der laufende Hund als Motiv abgebildet ist, kam eine Außendämmung zur Verbesserung der energetisch miserablen Situation nicht in Frage. Michael Kühnlein entschied sich für eine Innendämmung aus Leichtlehm: „Lehm ist im Gebäude zum Beispiel in den Decken ohnehin vorhan­den. Außerdem werden so Tauwasserschäden vermie­ den“, erklärt der Architekt.
Die Handwerker montierten für die Innendämmung als Vorsatzschale innen vor den Außenwänden ein Holzständerwerk. Daran befestigten sie mit ein paar Schrauben Holztafeln als Schalung, in die sie den Lehm erdfeucht einstampften. Nachdem der Leicht­lehm ausreichend verdichtet und formstabil war, schraubten die Handwerker die Holztafeln vom Stän­derwerk wieder ab und versetzten sie um eine Plattenbreite, woraufhin der Prozess der Verdichtung des Lehms aufs Neue begann. „So brachten die Handwer­ker die Leichtlehmdämmung Stück für Stück ein. Die Ständer des historischen Holztragwerks, die sich in­nen auch vor den neu errichteten Fachwerkwänden befinden, haben wir bewusst davon freigelassen. Die Handwerker haben die Lehmdämmung an diesen Stel­len an die Ständer anmodelliert, so dass das histori­sche Holztragwerk sichtbar bleibt. So haben wir den Eindruck einer innen einfach vorgesetzten Thermo­schale vermieden“, meint Michael Kühnlein.

Auf dem Holzständerwerk der Leichtlehmschale befestigten die Handwerker die Leitungen für die Wandflächenheizung, die sie anschließend mit Kalk einputzten. „Kalkputz war das historisch im Haus vorhandene Oberflächenfinish der Wände“, begründet Kühnlein die Wahl des Materials. In Räumen, in denen der historische Kalkputz noch vorhanden waren, kam eine Fußbodenheizung zur Ausführung.

Vom Schließen und Öffnen des Ostgiebels

„Im Ostgiebel gab es oben drei Fenster, von denen man immer dachte, dass sie historisch seien“, erzählt der Architekt. Doch im Laufe der Bestandsanalyse stellte sich heraus, dass man im 19. Jahrhundert zwei davon nachträglich ins Mauerwerk gebrochen hatte, an deren Stelle es ursprünglich einmal zwei kleine Ovalfenster zur Belüftung im Dachgeschoss geben hatte. Bei der mittleren Öffnung handelte es sich um eine vergrößerte Luke. Die ursprüngliche Situation stellten die Maurer wieder her, indem sie die beiden äußeren Öff­nungen mit Hochlochziegeln komplett verschlossen und die Luke wieder auf ihre ursprüngliche Größe und Form zurückmauerten. Andererseits mussten die bei­ den historisch links und rechts neben der Luke liegen­ den kleinen Ovalfenster in Kleeblattform für das ori­ginale Erscheinungsbild wiederhergestellt werden. Beim linken der beiden Ovalfenster war das Kleeblatt­gewände im Mauerwerk versteckt noch vorhanden. Dem rechten Ovalfenster mussten die Maurer mit Vollziegeln wieder seine ursprüngliche Kleeblattform zurückgeben.

Neuer Außenputz als Schutz für den Befund

Zwei bis drei Schichten Zementputz lagen überwiegend hohl über der historischen Fassade. Nachdem man den Zementputz entfernt hatte, zeigte sich, dass die farbige Fassadengestaltung darunter noch zu ei­nem großen Teil vorhanden war. Diesen Befund zeichnete der Restaurator exakt auf. „Den historischen Außenputz haben wir analysiert. Er bestand aus Kalk, Sand und Kälberhaaren als Armierung“, so Michael Kühnlein. „Die Rezeptur haben wir aus Sumpfkalk, Kälberhaaren und Sand aus einer etwa einen Kilome­ter von Dietfurt entfernten Grube nach dem histori­schen Vorbild auf der Baustelle vor Ort gemischt und auf die historische Fassade aufgetragen“, ergänzt Christian Bayer von der Firma ObjektDENKMAL aus Neumarkt. So werden die alten Putzschichten darun­ter von den neuen geschützt.

Auf den neu aufgetragenen Putz kopierten die Hand­werker anhand der Zeichnungen des Restaurators 1:1 die ursprüngliche Fassadengestaltung, was gar nicht so einfach war. Im Erdgeschoss wurde der Putz zum überwiegenden Teil mit einem Nagelbrett gestupft. „Das war am Anfang noch viel zu regelmäßig und zu schön“, erinnert sich Michael Kühnlein. „Daraufhin hat der Putzer seine Arbeit etwas wilder ausgeführt, so dass die Struktur nun viel lebendiger wirkt.“ Im ersten Obergeschoss wechseln sich die gestupften mit glatten Putzflächen ab. Die Putzer zogen den glat­ten Grundputz auf, rieben ihn mit dem Brett ab und stellten mit dem Nagelbrett zwischen den glatten Bändern die gestupften Flächen her. Im gleichen Ar­beitsschritt brachten die Maler auf den noch frischen glatten Putz in Ocker und Schwarz den laufenden Hund, gestreifte Farbbänder und sonstige Begleitstri­che auf. „Die Bemalung erfolgte freskal  nass­-in-­nass.

Auch hierfür haben wir Sumpfkalk verwendet, den wir mit Erdpigmenten in Ocker und Schwarz eingefärbt haben. Die gestupften Flächen erhielten keinen Anstrich“, erklärt Christian Bayer. Für den laufenden Hund verwendeten die Handwerker Schablonen, den Rest malten sie freihand.

 

Wie Alt und Neu durch Kontrast harmonieren

„Das öffentliche Gebäude musste nach behördlichen Auflagen natürlich barrierefrei erschlossen werden“, so der Architekt. Daher steht dort, wo einmal der Stall war, in dem das Vieh wohl auf seine Schlachtung war­tete, heute ein moderner Aufzugturm mit Fluchttreppe, der sich mit gebührendem Abstand so selbstverständlich dem historischen Bestand annähert, als hätte er schon immer dort gestanden.

Und auch die vertikale Erschließung im Gebäude ist so selbstverständlich gestaltet, dass man nur von ei­ner Harmonie zwischen Alt und Neu sprechen kann, die gerade deshalb so gut funktioniert, weil sich Alt und Neu in Material und Form voneinander unter­ scheiden. So befindet sich die neu aus Keilstufen ge­ baute Treppe zwar an der Stelle im Haus, wo auch historisch schon die Treppe war, doch ist ihr Geländer aus Flachstahl geschweißt. Eben weil die neu hinzu­ gefügten Einbauten und Bauteile sehr schlicht und unaufdringlich gestaltet sind, passt alles gut zusammen.

Baubeteiligte (Auswahl)

Bauherr Stadt Dietfurt, www.dietfurt.de Planung Kühnlein Architektur, Berching, www.kuehnlein-architektur.de
Statik Ing.-Büro Haas+Partner, Neumarkt, www.bhl-statik.de

Bauforschung Stephanie Bassen, Regensburg, www.bauforschung-bassen.de
Maurerarbeiten Prock Bauunternehmen, Dietfurt, www.prockbau.de

Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten Bogner Holzbau, Seubersdorf, www.bognerholzbau.de Fenster- und Außentürenbau Schreinerei Albert Braun, Breitenbrunn, www.schreinereibraun.de Zimmererarbeiten Holzbalkendecken Zimmerei Karch, Dietfurt, www.holzbau-karch.de

Innenputz- und Malerarbeiten Hofmann – Erhalten & Gestalten, Königsfeld, www.hofmann-internet.de Restaurierung Innenputz und Malerei ObjektDENK- MAL, Neumarkt, www.objektdenkmal.de Bodenbelagsarbeiten Holzböden Firma Wiedmann, Eichstätt, www.wiedmann.de

Herstellerindex (Auswahl)

Pigmente für Sumpfkalk Kremer Pigmente, Aichstetten, www.kremer-pigmente.com Leichtlehm Claytec, Viersen, www.claytec.de